Ich bin entsetzt …
Nicht (nur) wegen des feigen terroristischen Aktes, der gestern gegen das französische Satiremagazin Charlie Hebdo durchgeführt und mindestens 12 Menschenleben gekostet hat. Die Tragik dieser Tat ist natürlich unbeschreiblich und durch nichts schön zu reden. Auch, dass gewisse Gruppierungen dies zum Anlass für weitere Hetze nehmen werden, lässt sich vermutlich nicht ändern muss aber mit Argumenten überzeugend bekämpft werden.
Nein was mich entsetzt, ist die Meinung einiger Leute aus meinem persönlichen Umfeld, die ich persönlich, teilweise schon jahrelang, kenne.
Da herrscht die Meinung vor, das die Zeichner und Journalisten von Charlie Hebdo selber schuld seien, das sie Opfer eines feigen Attentats wurden. Sie mussten doch damit rechnen, das man ihnen so etwas antun könne, wenn sie sich über Mohamed lustig machen würden. Hallo? Meinungsfreiheit? Pressefreiheit? Zwei der wichtigsten Rechte überhaupt? Einem Menschenrecht (Meinungsfreiheit) und einem Grundrecht (Pressefreiheit)? Ich bin schuld daran, dass ich hingerichtet werde, wenn ich von meinen Menschenrecht Gebrauch mache?
Wenn sich dieses Denken festsetzt, wenn das Konsens wird, dann hat der Terror sein Ziel erreicht. Wir verzichten auf unsere Rechte, weil es ja sein kann, das ich dafür hingerichtet werde und dann hab ich selber Schuld daran?
Schlimmer noch, in meinem Bekanntenkreis gibt es sogar Personen, die dieses Attentat richtig fanden, weil man den Propheten gelästert hat. Als ich das hörte, fiel mir der Kit aus der Brille. 12 Menschenleben wurden ausgelöscht, wegen Zeichnungen, wegen Satire! Das kam nicht aus dem Mund eines verblendeten Islamisten, sondern von einem jungen Menschen, der in einem islamkonservativen Haushalt aufgewachsen ist. Also nicht das Umfeld, in dem man Extremisten erwartet. Muss ich in Zukunft aufpassen, was ich sage? Ist es auch in Ordnung, mir die Kehle durchzuschneiden, wenn ich die Existenz eines wie immer gearteten Gottes leugne?
In was für einer Welt lebe ich, leben wir, in der normale Menschen der Meinung sind, das Karikaturen ein Todesurteil rechtfertigen? Nicht im Scherz, nicht missverstanden. Ich habe nachgehakt und die Antwort war „Ja, schon verdient. Sie haben den Propheten gezeichnet!“
Dagegen wirkt Politprominenz wie Frau Erika Steinbach schon fast nebensächlich, die sich nicht schämte, einen menschenverachtenden Kommentar zu dem Attentat auf Charlie Hebdo zu twittern, in dem sie darauf hinweist, das man ja nur die katholische Kirche kritisieren darf, weil es ansonsten lebensgefährlich wird. Das Ganze garniert mit einem Zwinkersmiley. War die ehemalige Präsidentin des Bund der Vertriebenen mir schon immer suspekt, hat sie sich damit ins komplette Aus geschossen. Ich kann und will schwerlich glauben, das diese reaktionäre Dame weiterhin eine politische Heimat innerhalb der CDU finden kann.
Was sollte Charlie Hebdo uns bedeuten?
Wehret den Anfängen, wehret diesem Denken! Schweigt nicht, wenn in eurem Umfeld derartiges verbreitet wird. Steht auf und sprecht mit klarer Stimme gegen solcherlei Gerede!
Niemals darf es passieren, das wir anfangen zu schweigen, weil wir uns sonst in Gefahr begeben.
Nicht die Zeichner von Charlie Hebdo haben Unrecht getan, ihnen ist Unrecht, das größte Unrecht überhaupt, widerfahren! Ihre Leben wurden ausgelöscht, weil Sie ihre Meinung sagten!
Ich schließe mit den Worten, die oft fälschlicherweise Voltaire zugeschrieben werden, sehr wohl aber seine Haltung beschreiben:
„Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“ – Evelyn Beatrice Hall
Sehr richtig und gut.