Tequilas Welt

Spiele kommen aus Deutschland oder den USA…manchmal aus England oder Frankreich, ganz selten mal aus dem südeuropäischen Raum…So zumindest die Wahrnehmung der meisten Leute, die sich überhaupt für Brettspiele interessieren. Asiatische Spiele sind meisten kulturell zu weit weg für die Menschen der westlichen Hemisphäre, um von der breiten Masse wahrgenommen zu werden.

Aber es tut sich was im osteuropäischen Raum und speziell Polen ist da mit großen Schritten am aufholen. Aber auch noch weiter östlich tut sich da was und da man ja immer mal über den Tellerrand schauen sollte, fiel mein Blick irgendwann man auf den russischen Hersteller Rightgames und dem Kartenspiel „EVOLUTION“.

Der Karton des Spiels, der gerade mal Taschenbuchmaße hat, wirkt einerseits komplett unauffällig, andererseits auch toll durchdesigned…irgendwie. Die Silhouette eines Geckos spricht mich als Reptilienfreund eh direkt an, also flugs das Spiel mal Land gezogen. Uff, kein wirklich billiger Spaß…knappe 40€ für ein Spiel, das nur aus ein paar Karten besteht, zwei kleiner Würfel und einigen Plastikchips…das ist schon eine Hausnummer…

Aber, man ist ja an Spielkulturen anderer Länder interessiert und das Dingen hat in Russland echt viele Preise an Land gezogen. Auch einige Kommentare, die ich fand, waren sehr vielversprechend. Gehalt hat es auch gerade gegeben, ich hatte mich nicht dazu durchringen können, von diesem eine ganze Ecke in ein Kickstarterprojekt zu stecken, also: Evolution kaufen!

Kurze Zeit später halte ich es nun in meinen Händen und denke mir: Auweia…ganz schön wenig Spiel fürs Geld, ob das was taugt…Noch dazu ist die grafische Gestaltung des Spiels eher zweckmäßig, als schön anzusehen…Aber hey, die Ehefrau beäugt mich schon skeptisch, also muss ich wenigstens so tun, als wäre das Spiel die absolute Wucht in Tüten.

Worum geht es also? Nu ja, im Endeffekt um den ollen Darwin und seiner Evolutionstheorie. Jeder Spieler hat am Anfang  6 Karten auf der Hand. Diese Karten haben mindestens eine Doppel-, die meisten sogar eine dreifach Funktion. Zuerst einmal kann man JEDE Karte mit dem Kartenrücken nach oben ausspielen (Jeder spielt abwechselnd eine Karte aus, solange, bis alle gepasst haben). Damit schafft man sein erstes Tier. Das ist mehr oder weniger gerade aus dem Meer gekrabbelt und wird versuchen, sich weite zu entwickeln. Dies geschieht (natürlich) auch mit Karten. Auf der Vorderseite haben nämlich alle Karten  eine oder zwei Eigenschaften. Je nachdem welche man nutzen möchte, dreht man die Karte rum und legt diese an ein Tier an.  Diese Entscheidung ist endgültig und kann nicht mehr revidiert werden.

Diese Eigenschaften können sowohl positiv, als auch negativ sein, wobei klar sein sollte, das man positive Eigenschaften an seine eigenen Tiere anlegen sollte, die negativen Eigenschaften hingegen platziert man vorzugsweise an den Tierchen der Gegner.

Eine sehr wichtige Eigenschaft ist z.B. Carnivorous, denn damit kann man in der zweiten, der Fütterungsphase des Spiels, andere Tiere zwecks Nahrungsaufnahme verspeisen und muss sich so nicht an den meist knappen Nahrungsmittelvorräten pflanzlicher Natur vergreifen.  Natürlich will kein Tier gefressen werden,  ergo gibt es viele Eigenschaften, die dieses erschweren sollen, z.B. ein abwerfbarer Schwanz, Rennen, Mimikry oder Burrowing (vergraben). Aber die Predatoren dieser Welt wären verdammt hungrige Predatoren, wenn sie nicht ebenso fantasievoll bei der Entwicklung von Gegenmaßnahmen wären.

So findet ein gewisses Wettrüsten statt und unsere anfänglichen, kleinen, wehrlosen Geckos entwickeln sich zu wahren Überlebenskünstlern.  Sie lernen zu schwimmen, Aas zu fressen, sich carnivore zu ernähren, sich zu tarnen und vieles mehr. Auch gibt es die Möglichkeit, das sich unsere Tiere in Symbiosen zusammen tun, sei es kommunikativ, wie ein Ameisenstamm, Kooperativ oder gar in einer Symbiose.  Das Alles kommt zum tragen, wenn es in die Futterphase geht. Dann wird nämlich gewürfelt, wie viel Futter zur Verfügung steht.

Der Futterpool ist eingeschränkt, vor allem, wenn man bedenkt, dass einige Eigenschaften den Futterbedarf des jeweiligen Tieres erhöht: Carnivoren und große Tiere brauchen z.B. eine Einheit Futter mehr, wenn sie von Parasiten befallen sind, wollen die gar mit 2 zusätzlichen Futtereinheiten versorgt werden.  Nun wird reihum jeweils ein Stück Futter seinem Tier zugeordnet, solange, bis kein Futter mehr da ist. Danach dürfen noch die Eigenschaften eurer Tiere genutzt werden (z.B. als Carnivore ein anderes Tier schlagen), wobei man dies natürlich auch schon vorher machen darf.

Ist diese Phase beendet, wird geprüft, ob alle Tiere genug zu essen bekommen haben. Jedes Tier mit zu wenig Futter verendet nämlich und wird abgelegt.

Nach dieser Abrechnung beginnt die neue Runde und jeder bekommt eine  neue Karte plus eine für jedes ausliegende eigene Tier.  Wenn man keine Handkarten UND keine überlebenden Tiere hat, bekommt man allerdings 6 neue Karten.

Dies geht solange, bis keine Karten mehr auf dem Nachziehstapel vorhanden sind, dann wird abgerechnet.  Na gut erst wird die Runde noch zu Ende gespielt. Dabei ist es interessant, das, wenn nicht mehr genug Karten zum nachziehen da sind, einige Leute halt einfach leer ausgehen. Kein an den an den Haaren herbeigezogener Mechanismus, um das Spiel fairere zugestalten! Irgendwie erfrischend Retro…

Jedes überlebende Tier schlägt dann mit 2 Siegpunkten zu Buche, jede angehängte Karte bringt einen weiteren und jede Karte, die den Futterbedarf erhöht, bringt nochmal so viel Punkte extra, wie der zusätzliche Futterbedarf beträgt. Ja, in dem Moment neigt man dann auch dazu, sich für angehängte Parasiten zu bedanken.

Thats all und was hier irgendwie nicht ganz sp spannend klingt, macht am Tisch, vor allem mit 4 Leuten, so richtig Laune. Wenn mein mühsam aufgepäppeltes Gecko, das quasi die Spitze der Evolution erklommen hat und ein Predator ist, wie er im Buche steht, an Futtermangel stirbt, dann ist schon Drama angesagt. Oder auch Dramatik, wenn mein Evolutionsstar so ziemlich alle Schutzmechanismen hat, die sich Mutter Natur ausgedacht hat und dann ein kleines, gegnerisches Gefieze ankommt, das meine einzige Schwäche ausnutzen kann und mich verschlingt…

Erwähnte ich es schon? Ein tolles Spiel, vor allem mit seiner Spieldauer von unter einer Stunde. Das Grundspiel eignet sich für bis zu 4 Leute, es können allerdings auch bis zu 8 mitspielen, wenn man 2 Grundsets hat…aber das ist mir dann doch zu teuer.

Bleibt zu hoffen, das sich mal ein deutscher Verlag des Spieles annimmt, denn ich denke, es würde auch hier viele Freunde finden.

Die Mechanik des Spiels funktioniert, das Thema ist noch nicht ausgelutscht und es ist kurz(weilig), was will man mehr? Ach ja, ein bezahlbarer Preis, das wäre nett.

Aber was ist das, verdammt? Eine Erweiterung (Time To Fly) ist inzwischen auch schon erhältlich, die neue Kartentypen ins Spiel einführt und es für bis zu 6 Personen spielbar macht…gut, dass das nächste Gehalt gerade angekommen ist…MUSS HABEN…